Samstag, 11. Juni 2016

++2: Afrikanische Geldgeschichten: Lug und Trug

Es tut mir leid das jetzt so trocken zu schreiben, aber in den Breitengraden hier unten hält man es mit der Wahrheit gar nicht streng. Beispielsweise wird aus einem dahergelaufenen Typen von der Straße plötzlich ein seriöser Regierungsmitarbeiter. Aus einem europäischen Schwätzer wird ein Journalist im Auftrag der Blablabalbablubberfasel Organisation.

Integration ist ja heutzutage ein schwerwiegendes Thema der Weltpolitik. Also habe ich mir (k)eine Blöße gegeben und mich dem hier vorherrschenden Wahrheits-Klima angepasst. (bitte keine Kommentare zu „Lügenpresse“ oder so, das ist nicht der springende Punkt in diesem Text)

Während meines Spaziergangs durch die chaotische Metropole Dar es Salaam auf der Suche nach DEM perfekten Foto-Motiv und einer Bar, die die EM überträgt, wurde meine Rhetorik also durchaus auf die Probe gestellt. Wahrheitsfindung – war des Öfteren ein Thema. Das hier entscheidende Fallbeispiel findet auf einem Abflussrohr mitten im indischen Ozean statt. Dort kann man bei Ebbe einfach hunderte Meter ins Wasser stapfen ohne nass zu werden. Das Motiv von Skyline und Meer ist aus diesem Blickwinkel erschreckend fotogen. Doch Halt. Ein Verfolger. Die 50 Zentimeter Rohr reichen kaum für meine Plattfüße, aber ein treuer Tansanier erblickt meine Weißnasigkeit und sieht seine Chance. Ich denke: „Der will dich bestimmt erpressen und ins Meer schupsen!“ Schockstarre. Der Kampf um das Rohr steht bevor. Gewinnen oder nass werden – das Motto des Fights über 12 Runden.

Es kommt nicht zur Neuauflage vom Rumble in the Jungle. Der Verfolger gibt sich auf unserem Steg, fern von der Innenstadt, als Regierungsmitarbeiter aus. Zitat: „Mir gehört das Rohr. Ich beschütze schon immer alle Touristen, die hier Fotos machen.“ Verdammt! Es gab schon Leute, die hier instagram-tauglich knipsten? Und Verdaaaammt! Der Typ ist von der Regierung? Einen Ausweis hat er nicht. Ich meine „Akkreditierung von der deutschen Botschaft persönlich ausgestellt“ auch nicht. Gleiches mit Gleichem. Ob ich Geld dabei hätte, fragt der besorgte Bürger Tansanias. Dann tische ich ihm – mit 40.000 tansanischen Schilling in der rechten Hosentasche – eine Story auf, von der ich wünschte, dass sie ebenfalls erstunken und erlogen wäre.

Ich habe natürlich kein Geld dabei. Armer Student und so. Süddeutsche Sparermentalität lasse ich dezent außen vor. Meine letzten Währungseinheiten habe ich gestern Nacht in einem chinesischen Casino-Restaurant, in dem sie das Eröffnungsspiel der EM auch nicht gezeigt haben, verballert. Dort ging ich mit 10.000 Schilling, die normalerweise locker für einen ganzen Tag inklusive Essen und Trinken reichen, davon aus, dass es hier nicht überteuer war. Weit gefehlt, du Depp! In einem östlich-asiatisch betrieben Spiellokal, das in direkter Nähe zu der chinesischen Botschaft steht, ist logischerweise nichts billig. Mein Smart-Ass also in großen Geldschwierigkeiten und unter eisern silbernem Blick der Chefin, die bestimmt noch andere Geschäfte (hundertpro Mafia !!!!1!!!111) nebenher durchzieht, in Erklärungsnot.

Um das oben genannte Vorurteil doch zu bedienen: Durch mein Studium der Wortverdreherei kann ich urplötzlich unglaublich überzeugend Unwahrheiten aus dem Hut zaubern. Natürlich ist der empörend horrende Preis in dem Etablissement nicht meine Schuld. Der Fakt, dass ich zu wenig Moneten in der Tasche habe, lohnt ja noch lange nicht, um hier einen Aufstand zu machen. Andere Menschen geben unglaublich viel Trinkgeld, da kann man einem armen Studenten aus Deutschland, der keine Ahnung von diesem neuen Land hat, keinen Vorwurf machen. Ganz logisch. Zehn Minuten später verlasse ich das Casino, ohne einen Cent in der Tasche und ohne zu wissen, dass Dimirti Payet gerade in einer anderen Zeitzone die Rumänen erschossen hat.

Am Ende der Geschichte weiß der verdatterte Regierungsbeamte meines Vertrauens nicht, um welchen Betrag es sich handelt, den ich dem Etablissement (hundertpro Geldwäscherei !!!!1!!!111) eigentlich noch schulde. (Anm. d. Red. Im Grunde lächerlich wenig) Aber das ist auch egal, weil es geht ums Prinzip. Hier unten schlängelt man sich halt durchs Leben. Okay, da sollte ich nicht mitmachen und durch diesen legendären Besuch in der chinesischen Spiel-Hölle habe auch ich einige Schlüsse gezogen. Ich gehe nicht mehr in ein chinesisches Casino auf der Suche nach Fußball. Weil das TV-Programm dort war mehr als verstörend.

Trotzdem muss man hier kreativ bleiben und das Spiel des Lebens mitspielen. Ansonsten wird es im wahrsten Sinne des Wortes teuer.

Meinen Foto-Trip im Ozean beende ich bevor mein besorgter Freund, auf der Suche nach his fair share of money, seine Lebensgeschichte auftischen kann. Die touristischen Ziele, die er als nächstes vorschlägt, habe ich natürlich schon alle gesehen. Ich bin ja schon seit Wochen hier und kenne mich unglaublich gut aus. So gut, dass ich drei weitere Fußballspiele verpasst habe. Dafür weiß ich jetzt, wo man sein Geld locker loswerden kann. Ganz ohne Spielautomaten und Fußball.


1 Kommentar:

  1. Du gibst es Dir ja volles Rohr. Wo kommt es her? Wo führt es hin? Was ist drin?

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