Sonntag, 3. Juni 2018

For the Single Riders

Wieder einen Schritt nach vorne. Einen Babyschritt, um genau zu sein. Pinguin ähnlich marschiert die Masse vorwärts. Seit über zehn Minuten starrt sie nach oben auf den immer gleichen Bildschirm. Dieser erklärt, wie man sich verhalten soll, falls das Ziel irgendwann erreicht wird. Immer in Zweierpärchen in die ausgewiesenen Reihen, lose Objekte wie Brillen sichern oder abnehmen, Handys aus den Taschen, Gurt eng festschnallen – der Park übernimmt kein Gewähr für Verlorenes.

„Wenn man immer zu zweit sitzen soll, wer sitzt dann neben Papa?“, fragt ein offensichtliches Einzelkind in der Schlange seine Erziehungsberechtigten. „Irgendwo kriegen die schon einen her“, lautet die barsche Antwort. Über 30 Minuten Wartezeit für nur 90 Sekunden Spaß? Eine Gleichung, die an der guten Laune nagt.

Generation achterbahnunfähig 


Auch ich stehe eines schönen Tages im Europapark in der Wartschlange eines blauen Fahrgeschäfts, dessen Namen ich aus werbetechnischen Gründen nicht nennen darf und will. Nach moderater Zeit in der Masse treffe ich auf den Einweiser. Da stimmt doch etwas nicht. Er schaut mich verdutzt an und ich ahne – dank dem Einweisungsvideo auf den Monitoren – meinen Fehler. Ich bin ungerade. Ich bin das einzige Rad am Wagen. Ich bringe das Universum der Zweierreihen komplett aus den Fugen. Trotzig stand ich in der Masse und hoffte, – wie so oft – dass der Zufall mir einen Seelenverwandten vor die Nase setzt. Passiert nicht. Unbehagen macht sich breit. Soll es durch mein Unvermögen einen Partner aufzutreiben etwa dazu kommen, dass die Achterbahn nicht ausbalanciert ist und die Fahrt gecancelt werden muss? Bringt mein chronisches Singledarsein den Spaß der anderen in Gefahr. Generation achterbahnunfähig?

„Reihe fünf, bitte!“ Reihe fünf? Darf ich doch mitfahren? Hinter und vor mir standen keine weiteren Ungeraden. Das hatte ich während der Wartezeit schon analysiert und stand dennoch voller Hoffnung und Eigensinn weiter an. Ein Wunder? Ja, der Einweiser zaubert mir aus dem Nichts eine Partnerin. Diese hilft mir bei all den Dingen, die ich aufgrund meiner Nervosität den anderen den Spaß zu verderben, vom Einweisungsvideo vergessen habe. Handy hier, Gurt da und nach dem zweiten Looping kommt die Merchandise-Fotokamera auf der linken Seite. Reinschauen und einen Move machen. Kommt gut.

Wer ist diese Proette? Diese Heldin, die aus dem Nichts meine Achterbahnfahrt rettet? Zum Small Talk bleibt keine Zeit. 90 Sekunden im Flug und voller Spaß. Danach bin ich glücklicher als jemals zuvor... im Europapark! Als ich nach der Fahrt meine Gedanken halbwegs geordnet habe, will ich mich bei der Heldin erkundigen, ob es wehtat als sie vom Achterbahnhimmel fiel. Die aber ist schon wieder auf dem Sprung. Wohl einen weiteren Verfehlten retten. Ich haste ihr hinterher, aber der Fischburger von vorher an der Ecke tut mir nicht gut. Krämpfe. Völlig außer Atem vernehme ich nur noch ihr wehendes Haar, das in einem Geheimgang mit der Aufschrift „Single Rider“ verschwindet. 


Im Verborgenen 


So startet mein Anankasmus für Single Rider. Aufgrund des Wassertierschmauses brauche ich einige Zeit bis ich mich selbst in den Geheimgang wage. Ohne Recherche und nur auf meine Intuition vertrauend, dass ich ebenfalls Leute vor dem retten kann, was mir Minuten zuvor selbst blühte. Die erste Eigenart, die mir auffällt ist, dass der Single Rider wahrlich eine rare Spezies zu sein scheint. Statt der halben Stunde, die man auf der anderen Seite warten muss, geht es hier fix. Fünf Minuten später bin ich wieder an Bord und komplettierte eine Dreier-Gruppe – Vater, Tochter, Mutter. Im Fachjargon nennen Single Rider das „Pauschalies“. 90 Sekunden und eine Nick-Young-Game-Winner-gegen-Spurs-Pose für die Merch-Kamera später ist mir der Mitfahrer allerdings überhaupt nicht dankbar für mein Beisein. Keinen Dank für die Fahrt. Keinen Dank fürs Balancieren. Nicht eines Blickes würdigt er seinen Single Rider, der ihm hier im Grunde alles ermöglicht.

Mir wird schalgartig klar, warum es so wenig Single Rider gibt. Man hat kein Team, das dich zum erneuten Fahrvergnügen motiviert. Man hat keinen, mit dem man Erfahrungen teilt. Man bekommt keinen Ruhm, wie die Gruppen, die Fotos von sich in coolen Posen kaufen und diese auf diversen sozialen Medien posten. Man gehört schlicht nicht dazu. Klare Abstriche, die das Heldentum mit sich bringt.

Nur wenige Eingeweihte 


Fernab vom Mainstream-Media-Sumpf tut der Single Rider Gutes ohne groß beachtet zu werden. Ich bin einer der wenigen Eingeweihten, denen das klar wurde, weil ich am Anfang alleine unterwegs war. Ich war der Auserwählte, dem auffällt, dass es diese vergessenen Helden überhaupt gibt. Gruppen, die in ungeraden Zahlen fahren, machen sich nämlich nicht viel aus dem vierten, sechsten oder was der geraden Zahlen mehr sind im Bunde. Er ist einfach da und wieder weg. Man braucht ihn nicht, um in Erinnerungen zu schwelgen. Dafür hat man die Gemeinschaft der eigenen Reisegruppe.

Nach weiteren Fahrten bin ich in unserer illustren Gruppe angekommen und kann sagen: Single Rider untereinander respektieren sich logischerweise für die Opfer, die sie bringen. Der Einweiser an der Schranke weiß ebenfalls um die Bürde unserer kleinen Belegschaft. Ein kleines Zwinkern hier, ein Kopfnicken da. Bei den restlichen Besuchern – Pauschalies, Junkies, Noobies, Girlies oder wer auch immer – geht die Relevanz der Alleinfahrer schlicht unter.

Die geringe Wertschätzung der anderen Gäste hält mich in meiner Mission den Roller-Coaster-Kosmos in Balance zu halten nicht ab. So fahre ich unzählige Male überall da, wo es gerade Reihen gibt. Ich kann die Namen aller Fahrgeschäfte, die ich ansteuerte, gar nicht mehr nennen so viel bin ich unterwegs. Stundenlang fahre ich zwar ruhmlos, aber leiste meinen großmütigen Teil. Unerkannt, still und leise. Danach mache ich mich auf den Weg zu unserem F.A.Z.-Fachverlag-Company-Event, für das ich eigentlich hier im Park bin und auf dem ich arbeiten muss. Ausgelaugt von meiner Tätigkeit als Single Rider moderiere ich meinen Panel unglaublich schlecht. In unserer WhatsApp-Gruppe posten tags darauf die Kollegen ein Bild von ihrer Achterbahnfahrt. Nebeneinander, in trauter Zweisamkeit. Virtueller Jubel über die heroische Fahrt brandet auf dem Bildschirm meines Handys auf. Ich kommentiere nicht. Tröste mich aber damit: Sie hatten lediglich Zeit eine Fahrt zu machen.



Samstag, 10. Februar 2018

Monday Night Super Bowl

Als Vollzeitarbeitnehmer muss man einige bittere Pillen schlucken. Schlimmer noch als unter der Dusche stetig zu heulen oder konstante Augenringe durch Schlafmangel ist das, was mir am Montag blühte. Das größte Sportevent des Jahres stieg in den unvereinigten Staaten. Worin man sich dort – trotz politischer Gräben, die größer sind als das Venture Capital Portfolio der Vorwerk Direct Selling Ventures GmbH – allerdings einig ist: der Super Bowl muss zu amerikanischer Primetime laufen. Da schaut der europäische Absatzmarkt schockiert in die Röhre, denn die Sendezeiten sind für gewöhnliche Arbeitnehmer nicht zu realisieren. Für einen Tag Urlaub nehmen, bin ich zu schwäbisch. Um das Ergebnis am nächsten Morgen schlicht im Internet zu lesen, bin ich zu sehr Sportfanatiker. Die logische Konsequenz daraus ist, dass ich – frei nach HIMYM, Staffel 2, Folge 14 – versuchen werde die Schlacht zwischen Patriots und Eagles am Abend danach im Re-Live zu genießen. Die offensichtliche Problemstellung: ich arbeite als Journalist und bin borderline handysüchtig/medienaffin. Ein Spießroutenlauf in vier Akten.

Akt 1: Der Weg zur Arbeit 


Die Kopfhörer, die mir im Verlauf der Woche kaputtgegangen sind, funktionieren zum Glück am Montag noch und sollen mich im ersten Teil dieser Odyssee von sportlichem Straßenbahn-Talk fernhalten. Eine allzu berechtige Angst, da hinter mir in der 7 zwei Jugendliche komische Andeutungen von Wurfbewegungen ausführen, die auf passende Wide Receiver schließen lassen. Ich stiere aus dem Fenster und hoffe keine vorbeifahrende, randalierende Fangruppe zu erkennen. Den Umstieg auf eine andere Bahnlinie, die mich direkt zum Friesenplatz bringen könnte, verweigere ich. Beim Wechsel der Plattformen müsste ich an sage und schreibe drei Info-Videoscreens vorbei. Jetzt ist T-Mobile nicht wirklich als American Football Verfechter bekannt, aber an diesem Tag gilt für mich „jedes noch so kleine Risiko ist ein Risiko zu viel“.

Mit diesem Mantra im Kopf wähle ich auf der Suche nach Frühstück auch nicht Hipsterschuppen Coffee Fellows. Ein random offline Bäcker soll es sein. Diesen betritt zusammen mit mir die schönste Frau der Welt. „Hoffentlich spricht die jetzt nicht gleich über Football“, denke ich zum ersten Mal in meinem Leben. Tut sie nicht, wobei sich herausstellt, dass sie an diesem Montagmorgen auch rhetorisch nicht auf der Höhe ist, um hier Akzente zu setzen. Endlich erblicke ich im Nebel den Dom, der majestätisch auf die Friesenstraße blickt, wie Fletcher Cox nach einem Tackle den Gegenspieler beäugt.

Akt 2: Small Talk Issues 


Im Büro angekommen setze ich alles auf eine Karte: Ehrlichkeit. Ich erkläre meine missliche Lage und erhoffe Verständnis, dass ich weder mein Handy aus dem Offline-Modus verfrachten kann noch die F.A.Z.-Startseite besuchen darf. Genehmigt. Es stellt sich allerdings heraus, dass die Eltern meiner Chefredakteurin aus Boston kommen. Schock! Sie interessiere sich aber nicht für Football, sondern für Baseball. Glück! Dafür setzt es von der anderen Redakteurin einen gehörigen Schuss in Richtung Spoiler. „Ich weiß, wer heult“, süffisiert sie mit Blick auf ihren Bildschirm, der wohl in der Lage ist Nachrichten anzuzeigen.

Schock! In meinem Kopf spielen sich in diesem Moment tausend Gedankengänge gleichzeitig ab: Sie studierte Kunst und Musik hat dadurch auf den ersten Blick keine Ahnung von Sport. #feminism Im Stadion sind 67.612 Zuschauer plus Mannschaften und Medienvertreter. Alle hätten theoretisch nach der letzten Aktion des Spiels einen Grund zum Heulen. Wer unter diesen ist aber meiner Kollegin bekannt? Es kann nur Gisele Bündchen sein. Schock! Aber Mooooooment: Frau Bündchen, in ihrer Rolle als Ehefrau des wichtigsten Spielers auf dem Feld, ist einem solchen Druck ausgesetzt, dass sie egal wie es ausgeht heulen wird. Entweder ist ihr Herzensgatte ohne Debatte der größte Spieler aller Zeiten oder er hat sich eine unfassbar schmerzhafte Niederlage geleistet. Glück!

Akt 3: Ein Journalist, der nichts wissen will 


Wer nun denkt, dass durch diese Analyse mein Arbeitstag einfacher werden würde, der irrt. Zwar können meine Kolleginnen mir nichts anhaben, außer sie sagen stumpf das Ergebnis. Falls dies passieren würde, könnten die sich einen neuen Volontär suchen. (jaja, lernt halt selbst, wie man Typo3 bedient). Meiner Drohung zum Trotz kommen weitere Herausforderungen auf mich zu. Ich habe einen Termin mit Bertram Kandziora. Der ist seit 2005 Vorstandsvorsitzender der Firma Stihl. Die schwäbische Kommanditgesellschaft, aus der sich die Familie zwar operativ zurückgezogen hat, aber weiterhin in der Holding vertreten ist, unterstützt uramerikanische Dinge wie die Timbersports WM als Hauptsponsor. „Hoffentlich redet mein Interviewpartner nicht über Sport“, denke ich zum ersten Mal in meinem Leben. Er tut es nicht. Glück!

Der letzte Schock des dritten Akts ist mein unfreiwilliger Besuch auf einer Internetplattform, die sich facebook schimpft. Zur Erstellung eines Internetartikels ist es leider durchaus nötig, auf Bildmaterial zurückzugreifen, das sich nicht im Archiv des F.A.Z.-Fachverlags befindet. Unfassbare Fortuna, dass in meinem Feed bei der Suche nach einem Bild von irgendeiner Familienstiftung kein Pigskin durch die Gegend fliegt. Ganz knapp am Ergebnis vorbeigeschrammt.

Akt 4: Take it to the house 


Von einem Zwischenerfolg nach 8 Stunden Arbeitstag zu sprechen ist Kokolores. Heute zählt nur Ertrag auf ganzer Ebene und gleichbedeutend kein ergebnisreiches Straucheln auf dem Heimweg. Die musikalische Unterstützung dafür ist gesichert, da mein Handy im Offline-Modus den Tag über wahrhaftig drei Prozentpunkte Batterieleistung aufgegeben hat. Wieder spare ich mir den Gang zur U-Bahn und laufe die eine Haltestelle weiter statt mich Monitoren auszusetzten, die Neuigkeiten anzeigen.

Der Rückweg, so sehr man ihn im Vergleich zur journalistischen Tagesarbeit auch autistisch in Mr. Robot Manier gestalten kann (die dritte Staffel ist zudem sehr empfehlenswert), ist nicht zu unterschätzen. Jetzt sind nämlich die Leute unterwegs, die heute Morgen zu müde waren einen random offline Bäcker zu besuchen, da sie das Spiel der Spiele live verfolgt haben. Wer ist nicht schon einmal an einem Hipster-Patriot-Fan vorbeigelaufen? Die gibt’s leider allmählich in der Domstadt. Und diese Spezies trägt die Mütze „meines Vereins“ wissentlich an stolzen Tagen der Franchise. Also wenn, dann heute.

Seit meinem Eintritt in die Welt der Ganztagsarbeitenden war ich noch nie so froh den Schlüssel doppelt umzudrehen und im Flur zu stehen. Die verschlossene Türe eliminiert nämlich die letzte Hürde, die einen schlaflose Nächte kosten kann: Mitbewohner*innen. Überglücklich realisiere ich, welchen Preis ich hier gewonnen habe. Er ist größer als die Vince Lombardi Trophy. Ich habe gegen die gesamte Gesellschaft gewonnen! In einer Zeit, die schnelllebiger ist als je zuvor, stemmte ich mich gegen Nachrichtenzyklen, Videoleinwände, Small Talk und was der Gegner mehr sein können. Klar, ein offline Leben ist möglich, macht aber paranoid. Ich habe 58 Nachrichten verpasst und einige Mails und einen Haufen Instagram-Bilder. Ehrliches Resümee: Nichts davon war lebenswichtig. Ein Fazit aus der Glasfaserkabel-Hölle.


Zum Spiel werde ich mich hier nicht äußern. Das muss man selbst gesehen haben. Am besten, wenn man nicht weiß, wie es ausgeht.


Montag, 15. Januar 2018

die fünf - beim asiaten

Es gibt manche Dinge, die kann man gut mit einem Text beschreiben. Beispielsweise wie Familienunternehmen der Saisonalität begegnen oder warum ein Betrieb in einer gewissen Rechtsform firmiert. Dann gibt es Dinge, die muss man mit einem Bild festhalten. In den Sinn kommt ein krachender Punch eines Boxers oder die futuristische Außenarchitektur eines Gebäudes. Und dann gibt es Dinge, die unabdingbar in eine Auflistung müssen, dadurch Klicks generieren und polarisieren. Ein Ranking hat immer etwas Angreifbares und Disruptives. Da ich zu faul bin – und mich zudem nicht in den Mainstream einordne – gibt es im Gegensatz zu allen anderen Qualitätsmedien hier nur die Hälfte und keine Top-10. 


Thema heute: Warum hängt immer ein Clochard im asiatischen Schnell-Restaurant rum?


fünf-eins: Nahrung 

Die erste Möglichkeit, die ich darstellen muss, ist die offensichtlichste. Wir teilen den Zweck des Besuches. Der Bauch knurrt, der Mund ist wässrig, das Gemüt sinkt. Über dem Verhältnis von Preis Leistung hängt zwar der Vorhang der Verschwiegenheit, aber es muss durchaus in Betracht gezogen werden, dass wir beide nur nach Soja lechzen. Die Speisekarte ist üppig besetzt. Es findet sich etwas für jeden Geschmack. Ob Soja von der Sorte Merlin, die eine überragende Toleranz für Kälte besitzt, über Gallec, die in der Abreife geringfügig später kommt als ihr Vorgänger, bis hin zu Amadine, die als einzige Sorte in Niedersachsen für den Speiseanbau freigegeben wurde. Da freut sich der innere Unkrautunterdrücker. Ist der Magen vollgeschlagen, ziehen wir beide weiter. Er immer ein Sojastücken Zeit später und beim nächsten Mal wieder leicht verfrüht, aber semantisch auf der selben Ebene. 

fünf-zwei: Mauerbrause 

Hier wird erlaubt sein kurz auf Preis-Leistung einzugehen. Zwar ist es im kulinarischen Rehgarten-Tempel um die Ecke nicht so billig wie im Kiosk. Man braucht allerdings nicht unbedingt Goldenes aus der Geldbörse zu zaubern, um den stabilen Bierdurst zu stillen. Die wohl trainierte Kehle findet im fernöstlichen Etablissement darüber hinaus global wertvollere Geschmacksrichtungen als anderswo. Die Stichwörter lassen einem das Kölsch in den Adern gefrieren: Tsingtao, Yanjing oder der gute alte Klassiker Lucky Buddha. Ist es nicht schön sich andere Kulturen einzuverleiben und das nicht nur beim Joghurt? 

fünf-drei: Politisches 

Demokratie kann etwas schrecklich Beunruhigendes mit sich bringen – Freiheit. Wir bleiben im gleichen Kulturkreis wie unser Essen für dieses Beispiel: Die chinesischen Lakaien von Präsident Xi nutzen die Wahl von Trump als Argument dafür, dass Demokratie ja gar nicht funktioniere. Versierte Systemkritiker werden einwerfen, dass die USundA ja gar keine Demokratie haben, sondern eine Mischung aus extrem veralteten Institutionen und Oligarchie. Möchte ich jetzt nicht näher darauf eingehen, ansonsten kommen wir nie zu fünf-vier. In Zeiten von #meToo und Dauersondieren flehen womöglich deutsche Bürger nach mehr Stabilität, Planbarkeit und einer starken Führung. Ein paar Stückchen Mauerbrause drüber, könnte man wahrlich auf die Idee kommen das alles in einem Restaurant zu finden. Nur schlecht, wenn die Gastgeber dann aus Kambodscha kommen. 

fünf-vier: Therapie 

Die schnelllebige Zeit nagt nicht nur an der Stabilität des Rückens unserer Gesellschaft. Laut des Münchener Instituts für lösungsorientiertes Denken (ein Name, der dem Google-Algorithmus nicht gerecht werden kann) erleben 20% aller Berufstätigen Burnout-ähnliche Phasen. Der Kleinhäusler an sich hat während seines Tagesablaufs ebenfalls Arbeit-ähnliche Phasen zu überstehen. Da kann es gut sein, dass die Psyche angekratzt ist wie die Frontschürze von Uwe Gries aus Petersberg bei Fulda. Abhilfe kann ein Seelenklempner schaffen. Dafür braucht es allerdings meist monetäre Mittel, die nicht in der gesamten Bevölkerungsschicht vorhanden sind. Kein Teil der Top 1% und trotzdem einen Zuhörer nötig, der kaum Zwischenfragen stellt und Höflichkeit im Nachnamen stehen hat? Wait no more! Kundenservice und Verschwiegenheit wird im chinesischen Restaurant um die Ecke überaus groß geschrieben. 

unentschieden: Zufall 

Wir hinterfragen: Sind meine vereinzelten Besuche überhaupt wissenschaftlich haltbar? Vielleicht sogar frei von der Philosophie des akademischen Arbeitens. Die Frage: Was können wir beweisen? Hier heißt es Selbstreflexion und Methodenkritik. Ich kann es nicht beweisen, dass immer eine Person beim fernöstlichen Verköstigungsstand meines Vertrauens lauert, da fehlen mir die forschungstechnischen Mittel. Im Makrokosmos flinke Pfanne gilt ohne Zweifel Schrödingers Theorieansatz. Der Vagabund kann nur gefunden oder nicht gefunden werden, wenn man in die flinke Pfanne hineinschaut. Im aktuellen Verlauf der Studie ist dies dauerhaft unmöglich. Zwar sind meine Arbeitsweisen dahingehend methodisch abgesichert, dass ich sie als qualitativ beschreibe. Mein Ziel ist es aber ein homogenes Ergebnis zu schaffen und deduktiv zu arbeiten. Bis ich soweit komme, muss ich wohl oder übel behaupten, dass die aktuellen Beobachtungen eine Form von Kontingenz sind.