Mittwoch, 16. März 2016

+3: Für 45 Minuten erstklassig

In meiner Zeit auf diesem wunderschönen Kontinent musste ich schon einige Rückschläge hinnehmen. Die Schlappe von gestern zählt mit zu den größten Pleiten und bedeutet das Ende eines Lebenstraums von mir. Immerhin kann ich mir 45 Minuten erstklassigen Fußball aufs Resümee schreiben, aber das ist nur ein kleiner Trost. 

Von Anfang an: Als Ulmer-Fußballfan wünscht man sich nichts sehnlicher als an die guten alten Zeiten anzuknüpfen. Erstklassigkeit – das Wort aus dem Träume gemacht sind. Nur sieht es für die Kicker aus der Donaustadt aktuell nicht wirklich nach Oberhaus aus. Zwar geht es bergauf, aber ganz oben ist gegenwartsnah unerreichbar. Da muss man als Fan ganz egoistisch sein und selbst für Abhilfe sorgen. Umso mehr ging mir das Sportlerherz auf, als sich mir die Chance auf Erstklassigkeit bot. Die Orlando Pirates, aktuell Tabellendritter in der namibischen Fußball Premier League, ließen sich nicht bitten und luden mich zum Probetraining ein. Mit brandneuen Nike Schuhen im Gepäck machte ich mich auf ins Sam Nujoma Stadion, das im Stadtteil Katutura (historisch bekannt als ein ehemaliges Township, das in den 1950er Jahren im Rahmen der südafrikanischen Apartheidspolitik entstanden ist) liegt. Townshipflair vermittelte auch der Taxifahrer, mit dem ich mich noch wegen des Weges zum Stadion stritt. Er auf seiner, ich auf meiner Sprache. Vereint in Unwissenheit, da wir beide den Weg zum Stadion nicht kannten. #Berg

Endlich angekommen ging es auch gleich zur Sache. Kurzes Aufwärmen und dann 9 gegen 9 „high intensity“. Natürlich ignorierten mich die anderen 17 ballverliebten Schwarzafrikaner auf der linken Außenbahn. Bekam ich mal die Pille tunnelte ich souverän, spielte durchaus tödliche Pässe und lupfte den Ball aus 30 Metern gefährlich in Richtung Kasten. In den letzten Sekunden des Spiels klärte der verdammte Abwehrspieler meinen Traumtorversuch auf der Linie. Abpfiff, Trainingsende, 45 Minuten auf Premier League Niveau mitgehalten.

Die Ernüchterung folgte Augenblicke später. Der Knöchel am rechten Fuß dick wie ein Baseball. Humpeln als einzige Fortbewegungsmöglichkeit. Das Umknicken ohne Gegnereinwirkung aus dem ersten Abschnitt des Spiels, ich hielt es für rausgelaufen, hat meine Außenbänder doch wieder in Mitleidenschaft gezogen. Die alte Schwachstelle macht mir also wieder zu schaffen und die niederschmetternde Diagnose lautet Bänderanriss. Das erste Training in der Premier League bleibt auch das letzte Übungsprogramm der Erstklassigkeit.


Wer mich kennt, der weiß, dass ich eine Sache hasse wie die Pest: verlieren. Egal in was ich unterlegen bin, es macht mich verrückt. Sport, Brettspiele, Tippen von Ergebnissen, Quizduells und was der Dinge, in denen man verlieren kann mehr sind. Ich kann das nicht ab! Jetzt muss ich mir vorwerfen lassen, dass ich gegen mich selbst und mein Ego verloren habe. Ich war sicher, dass ich die Herausforderung (Halb)„Profi“-Sport meistern kann. Ich dachte, dass Fußball mir und meinen geschundenen Bändern mehr entgegenkommt. Ich glaubte, dass mein Streben nach sportlichen Höchstleistungen hier unten in Afrika richtig Fahrt aufnehmen könnte. Jetzt muss ich damit klarkommen, dass das eben nicht der Fall ist.

Manche Menschen sagen jetzt zu mir: „Hey, ich hab’s dir schon immer gesagt. Hättest es mal gelassen“ Das zählt aber für mich und meinen Charakter nicht. Erfahrungswerte sammelst du selbst, du bekommst sie nicht vermittelt. Zum vierten Mal in meinem Leben sitze ich deswegen mehr als zu laufen und schaue gequält durch die Gegend, während unten am Knöchel jeder Herzschlag zu spüren ist. Insbesondere wenn man in einer Sportredaktion arbeitet, ist es mental sehr enttäuschend verletzt zu sein. Besonders Nachdruck verleiht die Tatsache, dass man über die Menschen berichtet mit denen man gestern noch trainiert hat. Das ist bitter.

Nun sollte man einen solch betrüblichen Blogeintrag mit etwas Positivem abschließen. Dementsprechend blicke ich voraus auf eine Reiseroute, die sich gewaschen hat: Okavango Delta und Victoria Falls stehen für Anfang April auf dem Programm. Bis dahin sollte ich wieder einigermaßen laufen können. Wegen „wenn ‘s schlecht läuft, dann läuft ‘s schlecht“ muss ich hingegen damit enden, dass sich mein Retainer (dieses kieferorthopädische „Meisterwerk“) wieder einmal vom Unterkiefer löst und ich in naher Zukunft deswegen einen Zahnarzt aufsuchen muss. In diesem Sinne … !!11!11!!!


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