Mittwoch, 19. November 2014

Exkurs: Schach-WM - Wenn Genies Fehler machen

Ich hätte es selbst kaum für möglich gehalten, aber ich schreibe doch tatsächlich über die Schach-Weltmeisterschaft 2014. Ob nun "echter" Sport oder nicht, was im russischen Sotschi passiert ist auf vielen Ebenen spannend. Zwar bin ich persönlich alles andere als ein Kenner des Schachspiels - einige werden sich an meine blamable Niederlage im afrikanischen Morgengrauen des 29. August 2013 erinnern - dennoch sind mir diverse Dinge aufgefallen, die auch Nicht-Schachspieler interessieren könnten. Vor allem die rosige Tatsache, dass selbst Koryphäen wie die zwei Kontrahenten nicht fehlerfrei sind.

Vorgeschichte: Vom 7. bis 28. November duellieren sich Weltmeister Magnus Carlsen aus Norwegen und der Inder Viswanathan Anand. Die Bühne ist das olympische Pressezentrum in Sotschi. Es ist die Chance zur Revanche für den 2013 entthronten Anand, seines Zeichens Schach-Weltmeister von 2007 bis 2013.

Ihm gegenüber steht Carlsen, der in seinem Heimatland einen wahren Schach-Hype ausgelöst hat. In Spielwarenhandeln sind die mit Karos gemusterten Bretter zeitweise ausverkauft. Keine Frage dieser Typ ist alles andere als das Klischee eines Schachspielers. Die Süddeutsche beschreibt ihn sogar als stoisch, schwer zu fassen und gefühlsarm. Wer also ist dieser Magnus Carlsen eigentlich?

Geboren 1990, schafft "Der Wunderjunge" mit 14 Jahren alle drei Großmeisternormen und wird so zum jüngsten Schachgroßmeister der Geschichte. 2010 ist er die jüngste Nummer 1 der Welt. Jetzt, mit 23 Jahren, liegt sein geschätztes Vermögen im mehrfachen Millionenbereich, da er Werbeträger für einige Firmen ist und selbst seinen Namen als Marke eingetragen hat. Schachexperten halten ihn für virtuos, da er intuitiv den richtigen Zug erahnen kann und optimale Stellungen weit im Voraus erkennt. Dieses Jahr versucht er in Sotschi erstmals seinen WM-Titel zu verteidigen. Aber das wird schwerer als erwartet.

Spielverlauf: Die ersten Partien im Match verlaufen für ein solches Event "normal". Das erste Match endet in einem Remis durch Dauerschach. Danach gewinnt Carlsen, aber Anand schlägt sofort zurück und vor der 6. Partie steht aus nach zwei weiteren Unentschieden 2,5 zu 2,5. (Ein Unentschieden bringt beiden Spielern einen halben Punkt. Ein Sieg ist einen ganzen Punkt wert. Weltmeister ist der, der 6,5 Punkte erreicht.) Alle Spiele sind von kleinen Fehlern geprägt und vor allem der Inder findet zu keiner konstant guten Spielweise.

Das verflixte Spiel: Am Samstag, den 15. November, kommt es während der sechsten Partie zum Schock. Eine Partie mit Vorentscheidungscharakter bei der beide Spieler Ungewohntes zeigen. Der sonst so emotionslose Carlsen zeigt sein Gemüht, vergräbt sogar sein Gesicht in den Armen. Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel ringt er um die richtigen Worte, die seinen Fehler beschreiben. Er findet keine Formulierung dafür. Anand muss sich im Gegenzug"Schachblindheit" vorwerfen lassen. Er sagt während der Pressekonferenz: "Wenn man nicht mit einem Geschenk rechnet, dann nimmt man es auch nicht." Was war passiert?

Carlsen leistet sich in sehr guter Ausgangssituation beim 26. Zug einen simplen Fehler, den jeder Außenstehende, der ein bisschen fachkundig ist, sehen kann. Er zieht seinen König auf das falscheste aller möglichen Felder. Dadurch gibt er seinem Kontrahenten die Chance mit nur einem Zug das Spiel zu gewinnen und dem Weltmeister so in ein mentales Loch zu werfen. Viswanathan Anand, der seit Jahrzehnten zur Weltspitze gehört, übersieht den missratenen Zug Carlsens, hält sich an seine einstudierte Taktik-Variante. Kurios: Beide bemerken den eigenen Fehler Sekunden nach dem Loslassen der jeweiligen Figur.

Die schachspezifische Erklärung der Situation liefert Stefan Kindermann, internationaler Großmeister, in seiner Videoanalyse für die SZ-online:




In der Folge erholt sich Carlsen nervlich und leistet sich keine weiteren Fehler mehr, während Anand Probleme hat zurück ins Spiel zu finden und mental zerstört wirkt. Der amtierende Weltmeister Carlsen gewinnt die Partie am Ende klar und Anand muss sich vorwerfen lassen, die größte Chance seiner Karriere einfach übersehen zu haben.





Fazit: Für uns Laien bedeutet das Gezeigte im Grunde nur eins. Auch Genies machen unter Druck haarsträubende und einfache Fehler! Menschen, die mehrere Züge vorausplanen können, Weltmeister ihres Fachs sind, den ganzen Tag gefühlt nichts anderes machen  als ihrem großartigen Talent, Job, Hobby nachzugehen und einen IQ von fast über 9000 haben - ja auch solche machen die einfachsten Fehler, sind unter gewissen Einflüssen nicht so unfehlbar wie sie meist scheinen. Viele Experten sehen dies als Schande an. Es könne nicht angehen, dass sich beide Spieler im Kampf um die Weltmeisterschaft solche Fehler leisten. Ich ehrlich gesagt teile diese Ansicht nicht. Es ist doch beruhigend zu sehen wie Menschen, von denen man es am Wenigsten erwartet, unter Druck Schwäche zeigen. "Das sind am Ende doch auch nur Menschen." Außerdem urteilt es sich von außen eh immer leichter.

Trotz des Hype um das Spiel der Könige werde ich mich in dieser Hinsicht in Bescheidenheit üben müssen. Ich bin mir sogar sehr sicher selbst gegen die Schachzwerge Magdeburg kein Land zu sehen. Die U-10 Knirpse wären für mich übermächtig wie Swatch in der Uhren-Industrie. Deswegen widme ich mich lieber dem Schreiben von irgendwelchen Texten zu zufälligen Themen, die mir jäh in den Kopf schießen.

Das ist das Ende eines solchen. 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen