Sonntag, 30. November 2014

Beziehungen: "Eine haarige Angelegenheit"

An meine erste große Liebe,

ich weiß, dass sich unsere Wege in letzter Zeit nicht geschnitten haben, obwohl ich dir, einst ewige Treue schwur. Gemeinsam kämpften wir uns durch jede Lebenslage, bereisten fremde Länder, scherten uns nicht um Fortschritt. 

Du musst wissen, ich hatte echt viel um die Ohren in letzter Zeit. Es juckt mich unter den Fingern dir die unverhüllte Wahrheit zu erläutern. Die neue Stadt, das Studium inklusive der vielen Hausarbeiten und Vorträge und dann diese Spanisch-Klausur... wenig ging bei mir reibungslos und glatt. Ich hatte eine Pause nötig. 

Werde jetzt nicht stutzig! Ich will damit nicht andeuten, dass ich unsere gemeinsame Zeit nicht genossen hätte, ganz im Gegenteil. Bei uns ging immer alles sanft gleitend. Du hast stets meine besten Seiten betont und dir waren meine Ecken und Kanten egal. Aber mir war das "Ganze" zu zeitintensiv. Ich brauchte Distanz, Raum, Ferne, Abspaltung

Bitte verzeihe mir, dass ich dir meine emotionale Gefühlslage nicht offen auf dem Tisch serviert habe. Ich wollte dich nicht abzwicken! Ich benötigte einfach ein bisschen rauen Abstand und eine kontrastreiche Veränderung in meinem Leben, um wieder klar zu kommen. Aber jetzt weiß ich, dass ich mich da geschnitten habe. Dir meine Gefühle nicht offen zu legen, ist kratzbürstig gewesen. Das Gefühl der Scham wird immer stärker, ich fühle mich ruppig, scheußlich, schändlich. Schrecklich!

Schatz, ich bin auch nur ein Mann. Wir machen manchmal (oder auch oft, je nach Beschaffenheit und Pegel) einschneidende Fehler. Ich kann das jetzt offen zugeben. In diesem Monat ohne dich ist mir klar geworden, wie sehr ich deinen Kontakt brauche und vermisse. Ich sehe übrigens abscheulich aus:














Ohne dich nehme ich mich als kratzig und ungeschoren wahr, unvollständig und unsicher. Aber du kannst an diesem Bild sehen, dass ich keinen anderen gehabt habe, wie du es mir vor drei Wochen vorgeworfen hast. Ich werde immer meine Hand nach dir ausstrecken, egal wer kommen mag. Das habe ich jetzt gelernt.

Ich hoffe du willst mich noch einmal zu Gesicht bekommen und gibst mir die Chance, es noch einmal zu versuchen. Ich will alles Geschehene wieder gut machen. Bitte sei nicht starrköpfig. Du bist mir nach wie vor unverzichtbar wichtig und ich musste im letzten Monat pausenlos an dich denken. Ich habe förmlich schwarzgesehen. 

Ich würde dich gerne am Montagmorgen ertasten. Vor dem Frühstück vielleicht, wenn das geht. Ich habe sogar eine neue Klinge für dich gekauft. Eine von den teuren, weil du mir so viel bedeutest. Wir könnten ein bisschen zusammen abhängen und über alte Zeiten faseln oder so. Vielleicht habe ich auch noch was von dem guten Rasierschaum da, der uns so behaglich stimmt. 

Ich hoffe du gibst uns noch eine Chance, liebenswerter, erster richtiger Rasierer.


In Liebe

















PS remember remember no shave november



Donnerstag, 27. November 2014

#tbt: Ein ganz normaler Tag in Afrika

Dickhäuter im Pilanesberg Nationalpark 

Mehrere Male wurde ich bereits von Interessierten gefragt: "Hey Jay, wie war 's denn in Afrika so?" Die Antworten, die ich gebe, beinhalten zumeist Adjektive wie prägend, überwältigend oder unbeschreiblich. Wer nicht da gewesen ist, der kann nur Bruchteile dessen verstehen, was es bedeutet über so lange Zeit auf einem fremden Kontinent zu leben. Dennoch habe ich schon früher versucht meinen Alltag mit einem Augenzwinkern zu beschreiben. 




Wüstenkönige im Pilanesberg Nationalpark
Diese Thematik war schon im Oktober 2013 Gegenstand in meinem Afrika Blog: JJ goes south. Deswegen bediene ich mich diesem und reposte ganz sachverständig und versiert den Artikel "Alltags-Wahnsinn". Hier gibt es einen Einblick in meinen Lebensablauf von damals, wenn auch sehr polemisch. Einer (und hier gestatte ich mir das Recht auf Autorenmeinung) der kreativsten und gleichzeitig einer meiner Lieblingsartikel aus dieser Zeit. 






Einige der folgenden Handlungen begaben sich nach einer wahren Begebenheit. Bei anderen hat das lyrische Ich vielleicht ein bisschen maßlos übertrieben und Unwahrheiten verbreitet.


Das Bühnenbild zeigt ein Zimmer mit hoher Decke, spartanisch eingerichtet mit Bett und viel zu kleinem Schrank, zwei Nachttischen und einem hoffnungslos in die Ecke gestellten Schreibtisch mit allerlei Krims-Krams.


5:52 Uhr: Der Wecker meines Handys fängt an unbarmherzig zu dudeln. Snooze-Button!

5:57 Uhr: Der Wecker meines Desire fängt an unnachgiebig zu dudeln. Snooze-Button!

6:02 Uhr: Die Weckfunktion meines Desire HD fängt an, viel zu unbarmherzig zu dudeln. Snooze-Button!

6:07 Uhr: Die Weckfunktion meines HTC Desire HD gibt immer noch nicht nach. SNOOZE-BUTTON!

6:12 Uhr: Die Weckfunktion meines HTC ... ich schalte den Wecker aus und drehe mich wieder um.

6:15 Uhr: Flieger-Alarm! Die Russen ... oder doch Chinesen? Verrückt gewordene Iraner, Nordkoreaner. Verzweifelt suche ich in meinem Bunker nach Kameraden. ALLE WEG! Wer ruft denn um diese Uhrzeit zum Apell?
Es ist das Kinderheim, welches all seine Bewohner daran erinnert, dass die erste Fuhre an Schülern sich jetzt zum Gate bewegen sollte.

6:16 Uhr: PANIK! Ich bin zu spät! Wie einst Michael Jordan fliege ich aus meinem Bett in Richtung Tür. Renne den Flur hinunter, rutsche auf einer, von gestern Abend liegen gebliebenen Seifenblasendose aus und gehe hart zu Boden. Verwirrung und Angst stehen mir ins Gesicht geschrieben.

6:17 Uhr: Lucas schließt die Bad-Türe ab. Zu spät gekommen! Versagt, die erste Niederlage des Tages eingesteckt... und warum zum Henker liegt hier eine Seifenblasendose auf dem Boden. Meine Stimmung ist am Tiefpunkt.

6:18 Uhr(in der Küche) Leicht angefressen suche ich minutenlang nach einem Löffel. In der semi-gut aufgeräumten Küche kann ich keinen finden und begnüge mich mit einem Kochlöffel um mein Müsli zu frangeln.

6:25 Uhr: Das Müsli ist verspeist und in Mitbewohner-des-Monats Manier spüle ich sofort nach dem Essen mein Geschirr ab.

6:27 Uhr(auf dem Flur vor dem Bad) Ich führe mit der Türklinke eine Grundsatz-Pro-Contra-Diskussion über zu langes Duschen.

6:28 Uhr: Einer meiner vier Mitbewohner kommt grinsend aus dem Bad und überlässt mir den Raum. Zum Duschen bleibt für mich allerdings keine Zeit, somit heißt es Katzenwäsche.

6:31 Uhr(Großküche des Kinderheims) Voll bepackt mit Tupper-Boxen stehe ich in der Küche und muss mir das Geheule vom Frühschicht-Arbeiter anhören. Er sei so müde, sagt er. Er will schlafen, sagt er. Er hat keine Vorstellung was wir die letzten beiden Nächte getrieben haben. Lass ihn jammern. Ich nicke dieses ab. Nichts wie weg!

6:33 Uhr: Ich gerate in einen, von langer Hand geplanten, Hinterhalt. 4 Kinder stürzen aus einem Gebüsch auf mich zu. Sie entwenden meine Laptop-Tasche. Ein Kind bleibt an mir hängen, um mir die Verfolgung der Anderen unmöglich zu machen.

6:35 Uhr: Meine Tasche habe ich zurück, aber das morgendliche Workout bestehend aus Kinder hin und her tragen, hochheben und jagen, bleibt mir nicht erspart. Wie schaffen es die anderen Freiwilligen nur um 4:40 Uhr aufzustehen und die Kinder schulfertig zu machen, frage ich mich.

6:36 Uhr: Die Antwort auf die Frage steht vor mir und heißt Doro. Sie steht mit geschlossenen Augen auf dem Parkplatz und blendet jeglichen Lärm einfach aus. Lauritz für seinen Teil sitzt auf dem Boden und starrt ins Nichts, während J.L. verzweifelt versucht das traurigste Kind des Kinderheims aufzumuntern. Sein Versuch bleibt so erfolglos, wie die Image-Kampagne von Kik.

6:45 Uhr: Lucas rennt, mit für diese Uhrzeit bemerkenswertem Elan, an uns vorbei und bekommt gerade noch so seinen Bus zur President Pretorius School.

6:52 Uhr: Mein Bert's Bricks Bus kommt viel zu früh und auch ich muss meine Kids in Richtung Bus scheuchen.

6:53 Uhr(im Bus) Das Wrestling Match ist schon in vollem Gange, als ich mich schleppend dem Bus nähere. Der Fahrer ist am Heulen und die 1st bis 4th Grader prügeln sich mit Mike-Tyson-Gedächtnis Schwingern. Ich versuche der Situation irgendwie Herr zu werden. Auf dem Weg zu Verbesserung der allgemeinen Situation muss ich ebenfalls zwei Aufwärtshaken einstrecken.

6:57 Uhr: Der Busfahrer ist mit Taschentüchern versorgt, die Kinder in der dritten Runde K.O. gegangen und die 3.5 Kilometer Busfahrt kann endlich angetreten werden.

7:31 Uhr: Nach all der Hektik und dem Stress beginnt nun mein eigentlicher Arbeitstag. Beim allmorgendlichen Staff-Meeting meint der Principal, dass 24 Schwerverbrecher aus dem Gefängnis von Klerksdorp ausgebrochen sind. Anstatt sich Sorgen zu machen bricht im Lehrerzimmer allgemeines Gelächter aus.

7:35 Uhr: Meine erste Amtshandlung an diesem Tag besteht darin das Morgen-Gebet zu sprechen. Dass ich des Afrikaans nicht mächtig bin, ist der Lehrerschaft egal. Heutiges Thema behandelt die Nächstenliebe. Allerdings kann ich meine Ernsthaftigkeit nicht behalten und pruste durchs Zimmer. Diese Sprache ist einfach bescheuert. Die Schulmeister verstehen mein Lachen falsch. Im Umkehrschluss werde ich vom gesamten Kollegium als gottloser Heide bezeichnet. Super Einstand in den Tag.

7:55 Uhr(im General Office) Endlich Ruhe, denke ich mir und versuche in meinem Office zu entspannen. Falsch gedacht! Eine Kollegin überfällt mich mit einer sehr dringenden Bitte. Ich solle doch kurz diesen kleinen Text abtippen. Nichts leichter als das, denke ich und verblendet stimme ich zu.

7:59 Uhr: Der "kleine" Text entpuppt sich als Referat für die nächste Lehrer-Fortbildung. 23 Seiten schwer und alles in Setswana, mit einer Handschrift, die mich an meine Vorschulzeit erinnert.

9:45 Uhr: Die Finger schmerzen, die Augen brennen und mein neu gekauftes Trikot ist voll mit Druckertinte. Der Kopierer, den ich versucht habe in den letzten 45 Minuten zu reparieren, funktioniert nun wieder einigermaßen, hat aber seine Innereien auf mich ausgespuckt. Der Text des Referats ist leider auch nur halbfertig, weil mein unfassbar schneller und zuverlässiger Windows XP PC kurz vor Vollendung abgestürzt ist.

9:48 Uhr: Orangen... überall Orangen! Eine trifft mich am Knie... ich komme ins Straucheln. Ein weiteres unbekanntes orangenfarbenes Flugobjekt trifft mich an der Schläfe. Der gesamte Himmel leuchtet apfelsinfarben. Ich raffe mich auf und renne schneller als zuvor. Das Lehrerzimmer naht! Behände weiche ich weiteren Geschossen aus und rette mich mit einer Tigerrolle ins gelobte Land. Was die Kids so wütend gemacht hat, dass sie ausgerechnet mich mit ihrem Essen beworfen haben ist mir schleierhaft. Verwundert streiche ich mein Neuseeland Trikot glatt.

10:09 Uhr: Nachdem ich aus dem Fenster des Lehrerzimmers gejamesbonded und zurück in mein Office geschlichen bin, ist das Setswana Dokument endlich fertig. Leider will mein Drucker nicht drucken, also ziehe ich das Dokument auf meinen Stick und mache mich auf zum Office des Principals. Dieser ist nicht wirklich begeistert über mein Vorhaben.

10:31 Uhr(Principal Office) Nach mehr als 20 Minuten Debattierclub über Sicherheit von Daten und Viren auf dem Computer darf ich endlich an den PC des Chefs. Allerdings schaut dieser mir die gesamte Zeit über die Schulter und natürlich - wie sollte es auch sein - geht alles schief. Mein USB Stick ist vom alten XP Computer so mit Viren verseucht, dass nun auch der Ordinateur vom Principal kurzzeitig das Zeitliche segnet und alle Daten des gestrigen Elternabends löscht.

10:46 Uhr(General Office) Ich sitze wieder vor meiner Flimmerkiste. Die Augen noch leicht feucht vom Einlauf, den mir der Principal gerade verpasst hat. Das Resümee des Tadels: Druckverbot im Büro des Chefs, die nächsten drei Elternabende muss ich als Schriftführer dienen, auf den Abschlussball der 7. Klasse muss ich auch verzichten und die 2 Tage Urlaub im Januar stehen jetzt auch noch zur Debatte.

11:10 Uhr: Jetzt lege ich Hack-Ordnungs-Verhalten an den Tag und mache den Toshiba Mitarbeiter zur Schnecke, weil dieser behauptet, dass mit dem Kopierer alles in Ordnung sei. Ich erkläre ihm in barschem Tonfall, dass er mit dieser Arbeitseinstellung in einer globalisierten Welt keine Chance auf geregeltes Einkommen haben wird.

11:12 Uhr(Principal Office) Was ich nicht wusste war, dass der Kopier-Experte der Freund vom Principal war. Obendrein hat sich der Januar Urlaub wohl erledigt.

11:55 Uhr: Ein Kind aus der ersten Klasse, bezeichnenderweise auch bei uns im Kinderheim untergebracht, beleidigt seine Lehrerin und rennt dann aus dem Schulgelände in Richtung Kinderheim. Ich natürlich sofort hinterher, hoffend, dass ich so die Fehler vom Vormittag ausmerzen kann.

12:04 Uhr: Verschwitzt, verkratzt und verletzt stehe ich im Klassenzimmer der 1 A. Das Kind, Thabo, ist wieder an seinem Platz. Mir läuft der Sabber die Stirn runter, meine Arme sind von Thabos Starrsinn ganz rot und mein rechter Fuß schmerzt, weil ein tückisches südafrikanisches Schlagloch meine Bänder strapaziert hat.

12:58 Uhr: Könntest du noch kurz dies und ganz schnell noch das... Ich versinke in Arbeitsblättern und Briefen, die morgen Früh alle raus müssen. Chaos herrscht im General Office, weil sich dort plötzlich Lehrer tummeln, die ich noch nie zuvor gesehen habe.

13:20 Uhr: Fertig! Einfach fertig! Wie ich das hinbekommen habe? Keine Ahnung.

13:21 Uhr: Rückschlag! Beide Busse von der Schule zum Kinderheim sind weg. Ich muss wohl oder übel die 3,5 km laufen. Auch nicht schlecht eigentlich, weil es ist gutes Wetter und ich habe endlich meine Ruhe.

13:23 Uhr: Ein Auto hält neben mir und ein älteres Ehepaar zerrt mich förmlich in ihre Luxus-Karre.
Sie fragen mich wo ich herkomme, was ich arbeite, wo ich lebe. Wahrheitsgetreu beantworte ich die Fragen.

13:26 Uhr: Schlechte Stimmung im Auto. Die Eheleute entpuppen sich als Verächter der schwarzen Bevölkerung und Vollzeit Rassisten. Sie missbilligen alles, für was ich stehe und schmeißen mich in hohem Bogen an der nächsten Kreuzung raus.

13:45 Uhr(Zimmer mit hoher Decke, spartanisch eingerichtet) Endlich daheim! Ich freue mich riesig auf das Essen. Aber weit gefehlt, die Tupper-Boxen sind gefüllt mit den Resten von gestern und vorgestern plus rote Beete.

14:45 Uhr: Ruppig werde ich aus meinem Mittagsschlaf gerissen. Flieger-Alarm! Die Russen ... oder doch Chinesen? Verrückt gewordene Iraner, Nordkoreaner. Verzweifelt suche ich in meinem Bunker nach Kameraden. ALLE WEG! Wer ruft den um diese Uhrzeit zum Apell?
Es ist das Kinderheim, welches alle seine Bewohner daran erinnert, dass jetzt die Study-Time beginnt.

14:59 Uhr: Mein Study-Time-Kollege Joseph, der mir hilft mit den Kids Hausaufgaben zu machen, brüllt mir ins Ohr: "Study-Timeeeeeee BROOOOOOOO! LET'S GOOOO!" Jetzt bin ich wirklich wach.

15:02 Uhr(Gruppenraum Haus Samuel) Wir sind in der Study-Time, im richtigen Zimmer, zur richtigen Zeit, aber die Kids nicht. Das rote Telefon an der Wand klingelt. Wir wechseln verwunderte Blicke. Joseph nimmt ab.

15:05 Uhr: Über die, im Zimmer installierte Kamera, konnte das Office erkennen, dass wir kinderlos sind und deswegen gibt es schon wieder von einer Obrigkeit Ärger.

16:30 Uhr: Nach einem ernsten Gespräch mit der Bildungszuständigen vom Kinderheim, der Suche nach den Kindern, Rechenaufgaben und afrikanischen Geschichten ist die Studierzeit beendet.

17:00 Uhr: Freiheit? Ich mache mich auf zum Joggen ums Kinderheimgelände und die nahe gelegenen Farmen.

17:23 Uhr(irgendwo im nirgendwoDie Motivation erreicht den Tiefpunkt. Ich bin - mal wieder - viel zu schnell gestartet, kann meinem Ego aber nicht klarmachen, dass man(n) auch langsamer dauer-laufen kann.

17:24 Uhr: Plötzlich brauche ich Top-Speed!!! 4 - 10 hungrige, behinderte, verrückte Mongo-Hunde haben meine Fährte und die damit verbundene Verfolgung aufgenommen.

17:25 Uhr: Usain Bolt feuert mich vom Straßenrand an und ich hänge die Brut ab.

17:51 Uhr(im Bad) Die Dusche, die ich mir nach diesem Tag eigentlich verdient hätte, verweigert den Dienst. Tröpfchen für Tröpfchen geht es langsam voran.

18:02 Uhr(im Flur) Mehr oder minder zufrieden mit dem Endergebnis meiner Säuberung stehe ich vor dem Kühlschrank.

18:29 Uhr: Meine Instand-Nudeln waren der reinste Gaumenschmaus.

19:45 Uhr: Ich stelle einen weiteren unnötigen Blog-Eintrag online.

21:32 Uhr: Township-Taxi-Fahrer George steht bereit, um uns einen weiteren legendären Abend zu bescheren.

21:36 Uhr: Das Taxi ist zu überfüllt und hat Probleme die Brücke hoch zu kommen.

21:39 Uhr: Die nächsten Stunden vom exzessivem Feiern mit der schwarzen Bevölkerung des Townships sind mir entfallen...

02:00 Uhr: Anscheinend war es legendär... ich glaub das jetzt mal.

02:30 Uhr: Nach Geld-Debatten mit dem Taxi-Fahrer und sonstigem Blödsinn falle ich wie ein Stein in mein Bett.

02:31 Uhr: Schlafen ist unmöglich, da die Toiletten-Spülung mal wieder viel zu laut ist.

02:59 Uhr: Ich beende diesen Blog-Eintrag und schlafe ein.


5:52 Uhr: Der Wecker meines Handys fängt an unbarmherzig zu dudeln. Snooze-Button!

                     

Mittwoch, 19. November 2014

Exkurs: Schach-WM - Wenn Genies Fehler machen

Ich hätte es selbst kaum für möglich gehalten, aber ich schreibe doch tatsächlich über die Schach-Weltmeisterschaft 2014. Ob nun "echter" Sport oder nicht, was im russischen Sotschi passiert ist auf vielen Ebenen spannend. Zwar bin ich persönlich alles andere als ein Kenner des Schachspiels - einige werden sich an meine blamable Niederlage im afrikanischen Morgengrauen des 29. August 2013 erinnern - dennoch sind mir diverse Dinge aufgefallen, die auch Nicht-Schachspieler interessieren könnten. Vor allem die rosige Tatsache, dass selbst Koryphäen wie die zwei Kontrahenten nicht fehlerfrei sind.

Vorgeschichte: Vom 7. bis 28. November duellieren sich Weltmeister Magnus Carlsen aus Norwegen und der Inder Viswanathan Anand. Die Bühne ist das olympische Pressezentrum in Sotschi. Es ist die Chance zur Revanche für den 2013 entthronten Anand, seines Zeichens Schach-Weltmeister von 2007 bis 2013.

Ihm gegenüber steht Carlsen, der in seinem Heimatland einen wahren Schach-Hype ausgelöst hat. In Spielwarenhandeln sind die mit Karos gemusterten Bretter zeitweise ausverkauft. Keine Frage dieser Typ ist alles andere als das Klischee eines Schachspielers. Die Süddeutsche beschreibt ihn sogar als stoisch, schwer zu fassen und gefühlsarm. Wer also ist dieser Magnus Carlsen eigentlich?

Geboren 1990, schafft "Der Wunderjunge" mit 14 Jahren alle drei Großmeisternormen und wird so zum jüngsten Schachgroßmeister der Geschichte. 2010 ist er die jüngste Nummer 1 der Welt. Jetzt, mit 23 Jahren, liegt sein geschätztes Vermögen im mehrfachen Millionenbereich, da er Werbeträger für einige Firmen ist und selbst seinen Namen als Marke eingetragen hat. Schachexperten halten ihn für virtuos, da er intuitiv den richtigen Zug erahnen kann und optimale Stellungen weit im Voraus erkennt. Dieses Jahr versucht er in Sotschi erstmals seinen WM-Titel zu verteidigen. Aber das wird schwerer als erwartet.

Spielverlauf: Die ersten Partien im Match verlaufen für ein solches Event "normal". Das erste Match endet in einem Remis durch Dauerschach. Danach gewinnt Carlsen, aber Anand schlägt sofort zurück und vor der 6. Partie steht aus nach zwei weiteren Unentschieden 2,5 zu 2,5. (Ein Unentschieden bringt beiden Spielern einen halben Punkt. Ein Sieg ist einen ganzen Punkt wert. Weltmeister ist der, der 6,5 Punkte erreicht.) Alle Spiele sind von kleinen Fehlern geprägt und vor allem der Inder findet zu keiner konstant guten Spielweise.

Das verflixte Spiel: Am Samstag, den 15. November, kommt es während der sechsten Partie zum Schock. Eine Partie mit Vorentscheidungscharakter bei der beide Spieler Ungewohntes zeigen. Der sonst so emotionslose Carlsen zeigt sein Gemüht, vergräbt sogar sein Gesicht in den Armen. Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel ringt er um die richtigen Worte, die seinen Fehler beschreiben. Er findet keine Formulierung dafür. Anand muss sich im Gegenzug"Schachblindheit" vorwerfen lassen. Er sagt während der Pressekonferenz: "Wenn man nicht mit einem Geschenk rechnet, dann nimmt man es auch nicht." Was war passiert?

Carlsen leistet sich in sehr guter Ausgangssituation beim 26. Zug einen simplen Fehler, den jeder Außenstehende, der ein bisschen fachkundig ist, sehen kann. Er zieht seinen König auf das falscheste aller möglichen Felder. Dadurch gibt er seinem Kontrahenten die Chance mit nur einem Zug das Spiel zu gewinnen und dem Weltmeister so in ein mentales Loch zu werfen. Viswanathan Anand, der seit Jahrzehnten zur Weltspitze gehört, übersieht den missratenen Zug Carlsens, hält sich an seine einstudierte Taktik-Variante. Kurios: Beide bemerken den eigenen Fehler Sekunden nach dem Loslassen der jeweiligen Figur.

Die schachspezifische Erklärung der Situation liefert Stefan Kindermann, internationaler Großmeister, in seiner Videoanalyse für die SZ-online:




In der Folge erholt sich Carlsen nervlich und leistet sich keine weiteren Fehler mehr, während Anand Probleme hat zurück ins Spiel zu finden und mental zerstört wirkt. Der amtierende Weltmeister Carlsen gewinnt die Partie am Ende klar und Anand muss sich vorwerfen lassen, die größte Chance seiner Karriere einfach übersehen zu haben.





Fazit: Für uns Laien bedeutet das Gezeigte im Grunde nur eins. Auch Genies machen unter Druck haarsträubende und einfache Fehler! Menschen, die mehrere Züge vorausplanen können, Weltmeister ihres Fachs sind, den ganzen Tag gefühlt nichts anderes machen  als ihrem großartigen Talent, Job, Hobby nachzugehen und einen IQ von fast über 9000 haben - ja auch solche machen die einfachsten Fehler, sind unter gewissen Einflüssen nicht so unfehlbar wie sie meist scheinen. Viele Experten sehen dies als Schande an. Es könne nicht angehen, dass sich beide Spieler im Kampf um die Weltmeisterschaft solche Fehler leisten. Ich ehrlich gesagt teile diese Ansicht nicht. Es ist doch beruhigend zu sehen wie Menschen, von denen man es am Wenigsten erwartet, unter Druck Schwäche zeigen. "Das sind am Ende doch auch nur Menschen." Außerdem urteilt es sich von außen eh immer leichter.

Trotz des Hype um das Spiel der Könige werde ich mich in dieser Hinsicht in Bescheidenheit üben müssen. Ich bin mir sogar sehr sicher selbst gegen die Schachzwerge Magdeburg kein Land zu sehen. Die U-10 Knirpse wären für mich übermächtig wie Swatch in der Uhren-Industrie. Deswegen widme ich mich lieber dem Schreiben von irgendwelchen Texten zu zufälligen Themen, die mir jäh in den Kopf schießen.

Das ist das Ende eines solchen.